Ich habe schon lange nichts mehr zu den
Radsatzwellen geschrieben. Nachdem am 9. Juli bei einem
ICE3 in Köln eine Radsatzwelle gebrochen war, wurden am 16. Oktober auch Risse bei den
ICE-T Zügen entdeckt und am 2. November wurden auch die
Berliner S-Bahnen zu häufigeren Wartungen einberufen. Es fragt sich, welche Fahrzeuge als nächstes dran sind.
Gebrochene Radsatzwelle des ICE3 in Köln
Mittlerweile sind diverse Ungereimtheiten an den Tag gekommen: Zuerst streitet man sich darum, wer denn die Notbremse im ICE in Köln gezogen hätte, dann heisst es "kein Materialfehler", aber bald melden Experten Zweifel an der Auslegung der Radsatzwellen und deren Festigkeit an. Dass Problem beginnt grössere Dimensionen anzunehmen, doch das wird von der Bahn vertuscht aus Angst vor negativen Folgen auf den geplanten Börsengang. Die Industrie soll verklagt werden, wegen mangelhaft gelieferten Fahrzeugen. Dies dürfte aber schwierig sein, da Leute der Deutschen Bahn bei der Ausarbeitung der geltenden
technischen Normen über die Auslegung von Radsatzwellen dabei waren.
Vielleicht liegt das Problem auch daran, dass noch zu wenig Erfahrung mit dem Zusammenspiel Hochgeschwindigkeitszüge /Feste Fahrbahn besteht (
FAZ). Der feste Oberbau ist verlockend weil er weniger Unterhaltskosten verspricht. Schotter hat auf Hochgeschwindigkeitsstrecken eine kurze Standzeit. Die Steine zerbröckeln unter den hohen impulsartigen Belastungen der Züge schneller, so dass das Schotterbett seine dämpfenden Eigenschaften verliert und ausgetauscht werden muss.
Ich denke es ist schwierig über die Lösung von Problemen in einem technisch komplexes System zu diskutieren, wenn man nur Wirtschaft und Rechtssprechung im Kopf hat. Die Probleme lassen sich nämlich meist nicht eindeutig einer einzigen Komponente zuordnen, so dass sich Verantwortung und Kostenübernahme nicht klar aufteilen lassen.
Die Weiterentwicklung der Bahn in Europa wird dadurch immer schwieriger. Man scheut sich vor neuen technischen Lösungen, weil man sich vor den juristischen und wirtschaftlichen Folgen fürchtet.
Die Bahngesellschaften lehnen in den letzten Jahren jede technische Systemverantwortung ab und wollen nur noch Züge fahren sehen. Die Lieferanten der Einzelteile des Systems, sei es die Fahrbahn oder die Fahrzeuge, werden für die technische Funktion des Gesamtsystems verantworltich gemacht. Hilflos wird versucht, die Technik in Normen zu pressen, die meist schon vor ihrer Ausgabe überholt sind. Die Industrie konzentriert sich darauf nachzuweisen, dass ihre Fahrzeuge den Normen entsprechen und hat dadurch keine Zeit mehr, sich um die echten technischen Probleme und um die Weiterentwicklung des Systems zu kümmern.
Wir sind auf dem besten Weg dazu, die Eisenbahn ähnlich wie in den USA technisch verarmen zu lassen. Viele Dinge wurden seit Jahren nicht mehr angetastet. Die Folgen technischer Entwicklungsfehler sind nicht mehr kalkulierbar.
Juristen und Behörden, bitte gebt die Bahn den Ingenieuren zurück. Nur so können die technischen Probleme gelöst werden, nur so kann sich das System weiterentwickeln.