SBB Re 484 - eines der ersten Fahrzeuge, welche die EN 15277 erfüllte und überdies auch verschärften Brandschutzvorgaben entspricht. |
Der Schienenverkehr ist in Deutschland nach wie vor nicht wirklich salonfähig. Das hat zur Folge, dass versucht wird, mit der kleinst möglichen Investition den Betrieb durchzuführen. Um Kosten zu sparen wurden deshalb so lange wie möglich Fahrzeuge gebaut, welche die EU-Crahsnorm 15277 nicht erfüllen. Die Schuld dafür trägt weder die Industrie noch der Besteller, sondern der Gesetzgeber, der solche Fahrzeuge in der freien Marktwirtschaft zulässt. Das Eisenbahn-Bundesamt scheint aber hauptsächlich damit beschäftigt zu sein, die deutschen Sonderregelungen bezüglich Bremse und Rückspiegeln durchzusetzen und vergisst darüber, den Stand der Technik bei Streckenausrüstung und Crashfestigkeit von Fahrzeugen durchzusetzen.
rp-Online: Es hätte weniger Tote geben können
4 Kommentare:
Nach dem, was bisher veröffentlicht wurde, ist durchaus noch nicht klar, ob das Fehlen der PZB bei diesem Unfall überhaupt eine Rolle spielte. Die Überleitstelle Hordorf hat eine sehr übersichtliche Signalanordnung und ist im Buchfahrplan mit ihrer Kilometrierung vermerkt. Der Lokführer erwartete dort also bewusst ein Signal und kann dieses auch nicht mit anderen Signalen verwechseln. Zudem gibt es ein Vorsignal, dass durch mehrere Baken angekündigt wird, um den Lokführer bei schlechten Sichtverhältnissen auf den Vorsignalstandort aufmerksam zu machen. Dass ein Lokführer selbst bei Nebel Vor- und Hauptsignal komplett ignoriert und an der Überleitstelle einfach durchfährt, erscheint recht unplausibel. Dazu müsste er komplett die Orientierung verloren haben. Für mich sieht das mehr nach Bremsversagen aus. Dafür spricht auch, dass sich der Lokführer im Führerstand der zweiten Lok aufhielt. Möglicherweise bewerkte er beim Versuch zu bremsen, dass sich keine Bremskraft aufbaut und wechselte in den Führerstand der zweiten Lok, um von dort zu versuchen, eine Schnellbremsung einzuleiten. Normalerweise würde die Sifa beim Verlassen des Führerstands eine Zwangsbremsung auslösen. Dass dies nicht geschah, ist ein Indiz dafür, dass von der führenden Lok keine Bremsung eingeleitet werden konnte. Da dies auch von der zweiten Lok nicht gelang, lag die Ursache wahrscheinlich zwischen Lok und Wagenzug. Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang mit der Bremsprobe in Blankenburg beim Wechsel von den HVLE- auf die VPS-Loks.
Solange die Ergebnisse der Auswertung der Fahrtenregistrierung nicht bekannt sind, ist auch diese These nur eine Mutmaßung. Sie erscheint mir jedoch wesentlich plausibler als die in den Medien verbreitete Version. Jeder Eisenbahner weiß, dass es bei einer Signalüberfahrung immer zwei grundsätzliche Möglichkeiten gibt -
entweder bremste der Lokführer nicht, obwohl er sollte; oder er konnte nicht bremsen, obwohl er wollte. Die Medien haben sich von vornherein auf nur eine dieser beiden Möglichkeiten eingeschossen, und die andere nicht einmal hinterfragt. Ich kann mit meiner These auch durchaus falsch liegen, solange die Fakten nicht auf dem Tisch liegen, sind jedoch beide Varianten offen.
Ich gebe Jörn Pachl Recht, dass sich in letzter Zeit Aussagen verdichten, die auf ein Bremsversagen hinweisen könnten. Allerdings hat sich dann aus meiner Sicht der Lokführer recht seltsam verhalten und es häufen sich die Fragen:
Weshalb versuchte der Lokführer auf die hintere Lok zu steigen ohne zuvor einen Notruf abzusetzen ?
Musste der Lokführer vor der Unfallstelle nie eine Bremsung durchführen und hat z.B. nicht bemerkt, dass die Hauptleitung nicht durchgehend war?
Wurde die Bremsprobe richtig durchgeführt ?
Hat der Lokführer die nötige Kenntnisse um einen 2'400 t schweren Zug zu führen ?
Wurde ein Fehler in der Zugführung begangen ?
Die Untersuchung wird aufklären wie es zum Unfall kam. Die Theorie mit der fehlenden Zugsicherung halte ich in dem Sinne für realistischer weil es der häufigere Fall einer Signalfahrt ist. Es kann durchaus sein, dass auch bei einer übersichtlichen Anordnung der Signale eine Signalfahrt stattfindet, wenn die metrologischen Verhältnisse sehr schlecht waren, der Lokführer abgelenkt war (Handy) oder wegen der Verspätung übermüdet war.
Inzwischen wurde bekannt, dass der Zug vor Hordorf schon einmal erfolgreich gebremst haben soll. Damit scheidet das Bremsversagen dann wohl doch eher aus.
Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe in der Mitteldeutschen Zeitung gefunden:
.. Fahrdienstleiter die Lokführer beider Züge zu Notbremsungen aufgefordert .. Nach Erkenntnissen der EUB konnte der Lokführer des Personenzugs offenbar noch schnell reagieren. Er bremste seinen Zug bis zum Aufprall von Tempo 98 auf rund 70 Stundenkilometer ab. Dagegen verringerte sich die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Güterzugs nur um einen auf 68 Stundenkilometer. ...
Der Zustand der Bremsen hat nach den Untersuchungen der EUB nicht zu dem Unglück beigetragen. «Nach Angaben des EUB-Vertreters haben bei keinem der beiden Züge die Bremsen versagt», berichtete ein Sitzungsteilnehmer.
Kommentar veröffentlichen